Der Pfad der Wahrheit

Der Pfad der Wahrheit

Der Pfad der Wahrheit:

Erfahrungen einer Sucherin – Erfahrungen einer Finderin – Erfahrungen einer Lehrerin

Die Sucherin

Was ist Wahrheit? Die Frage und Suche nach Wahrheit trieb mich schon als Kind um. Dafür gab es zwei Auslöser.

Als kleines Mädchen stand ich mit meinem Vater am Fenster und sah in der Ferne ein Tier. Ich sagte „Dackel“. Mein Vater erwiderte ganz erstaunt: „Nein, das ist eine Kuh“. Die Erklärung dafür ist einfach. Offensichtlich war ich noch nicht in der Lage Größenverhältnisse in der Entfernung einzuschätzen. In der Tiefe verunsicherte mich jedoch dieses Erlebnis sehr. Und ich fragte mich ab da: „Was ist wahr?“ „Inwieweit kann ich meiner Beobachtung der Dinge und natürlich meiner Einordnung und Bezeichnung der Dinge trauen?“

Als ich dann später den Dialog zwischen Jesus und Pilatus aus der Bibel hörte war ich erneut erschüttert. Pilatus fragt Jesus: „Was ist Wahrheit?“ Und er bleibt ohne Antwort von Jesus. Damals kam es mir so vor, als hätte sich Jesus geweigert zu antworten. Und ich fühlte mich wie Pilatus, der eine so wichtige Frage stellt, keine Antwort erhält und daher enttäuscht und verlassen ist. Wenn ich den Text jetzt nochmal lese, sehe ich, dass Pilatus gar keinen Raum für die Antwort ließ. „Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit? Nachdem er das gesagt hatte, ging er wieder zu den Juden hinaus und sagte zu ihnen: Ich finde keinen Grund, ihn zu verurteilen.“ (Joh 18,38) Er hat also die Antwort gar nicht abgewartet, war nicht in der Lage zu hören…

Spiralige Bahnen
Dreißig Jahre dauerte dann mein Fragen und Suchen, meine Sehnsucht nach Wahrheit. Ich studierte und las, ich meditierte und betrieb Selbsterforschung. Ich prüfte und verwarf. Ich erfuhr immer wieder Zustände von Leere, die mich jedoch ängstigten und die ich nicht verstand. Ich reiste nach Indien und fand meinen Meister Osho. Sehr wichtig auf meinem Pfad zur Wahrheit war mir dabei immer, dass ich möglichst alle Erkenntnisse, die ich gewann sofort in meinem Alltag prüfte, integrierte und anwandte. So näherte ich mich und umkreiste die Wahrheit in spiraligen Bahnen. Aber zur Finderin wurde ich noch nicht.

Nicht immer war mein Fragen im Vordergrund meines Lebens. Da gab es auch heftige Auseinandersetzungen mit meinem Vater. Es gab Liebe und Heirat, Studium der Medizin und Arbeit als Ärztin, und natürlich alles was zum Leben einer jungen Frau gehört – Disco und Abenteuer, Reifen und Lernen. Aber die ganze Zeit über war meine Ur-Frage, meine Ur-Sehnsucht präsent, mal ganz im Vordergrund, mal mehr im Hintergrund. Sie wandelte sich auch, wurde zur Frage nach Liebe, wurde zur Frage nach Gott und war doch immer dieselbe Frage, dieselbe Sehnsucht.

Die Finderin

Bergführer
Fast zehn Jahre nach Oshos Tod fand ich in Samarpan einen Lehrer, der mir half die letzten Barrieren aufzulösen. Dies geschah durch Erkenntnis, die er mir vermittelte, aber noch viel Wesentlicher durch direktes Begegnen, durch Bezogensein. Denn die Erkenntnisse, die Informationen waren nicht neu – alles was er mir sagte, hatte ich zuvor schon gehört oder gelesen oder selbst gedacht. Doch jetzt in einem Raum des Vertrauens und der direkten Begegnung war ein tieferes Hören möglich. Für mich war also ein persönlicher Lehrer unabdingbar. So nötig wie ein Bergführer bei der Besteigung eines schwierigen und gefährlichen Berges.

Erfahren beweist nichts
Ein ganz wesentlicher Punkt war da zum Beispiel seine Aufforderung an mich zu untersuchen, was verlässlich ist und was nicht. Er forderte mich heraus zu prüfen, ob Erfahrung verlässlich ist – sei es glückseliges oder sei es unangenehmes Erfahren. Natürlich kam dabei heraus, dass kein Erfahren bleibt und kein Erfahren irgendetwas beweisen könnte. Im tieferen Untersuchen wurde klar, dass das einzig Verlässliche das Sein selbst, die Raumhaftigkeit, das Gewahrsein ist. So erfuhr ich geschützt in diesem Raum des Vertrauens einen ersten Augenblick der Wahrheit, in dem es keine Trennung mehr gab, kein Innen und kein Außen. Raum und Bewusstsein waren für diesen Augenblick in Eines zusammengefallen und waren untrennbar von Liebe, von Gott… Ich war untrennbar von Raum, von Liebe, von Gott, von Gewahrsein.

Reinigung
Es folgte eine Zeit der intensiven Reinigung, in der ich tiefere Hingabe an die Essenz des Seins lernte. Ich lernte immer mehr Vergängliches von Unvergänglichem zu unterscheiden, ich lernte meine Aufmerksamkeit zu richten, ich lernte tiefer zu fühlen bis auf den Grund und dabei immer wieder den Frieden zu finden. Ich prüfte und zweifelte und erkannte dabei mehr und mehr das Unbezweifelbare. Erstmals erkannte ich die kristallene, unveränderliche Qualität des reinen Beobachtens, des Gewahrseins. Dabei verblasste im Laufe der Zeit das Suchen und das Finden trat hervor.

 

Zuhause

In einem gnadenreichen Moment vor 17 Jahren vertiefte sich das Erkennen der Wahrheit in einer Weise, dass seither nie mehr Zweifel am Unbezweifelbaren auftauchten. Das Suchen hatte ein Ende und das endlose Finden setzte ein. Seither ist die Gewissheit unerschütterlich, dass es keinerlei Trennung zwischen mir und allem gibt, keinerlei Trennung zwischen mir und Gott.

In meinem Leben seither gab es sehr wohl Hochs und auch heftige Tiefs. Unveränderlich blieb dabei immer eine ganz feine Freudigkeit in meiner Seele. Ein leises Jauchzen, dass ich bin, ein leises Jubeln, dass Das was ich bin in allen Stürmen und allen guten Zeiten völlig unverletzt, völlig unveränderlich und voll der Liebe bleibt. Und die große Freude des Wissens um die grundlegende Gutheit in allen Wesen – wir alle sind Buddhas, sind strahlend und gut in der Tiefe unseres Wesens. Der Pfad der Wahrheit ist seither nicht mehr der Pfad der Frage und des Strebens nach Wahrheit, sondern der Pfad des Lebens der Wahrheit und Liebe. Ein Pfad bleibt es, und des Findens ist kein Ende. Auch die Aufgabe der Integration bleibt auf diesem Pfad bestehen.

 

Die Lehrerin

Seit nunmehr gut 15 Jahren begleite ich Menschen in Satsangs und Retreats als Lehrerin und Bergführerin auf dem Pfad der Wahrheit.

 

Lehren lernen

Auch das ist eine unendliche Herausforderung. Sicher wurde mir Talent mitgegeben zu übermitteln. Zugleich lerne ich permanent von meinen Schülern und Schülerinnen und bin stets dabei geschickte Mittel zu finden und zu erproben, um all den verschiedenen Menschen Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie in die Lage versetzen selbst die Wahrheit zu finden und in ihr zu ruhen. Und vor allem zu ermöglichen die Wahrheit auch zu leben und umzusetzen im täglichen Leben. 

In der Folge möchte ich einige Punkte herausgreifen, die meine Art des Lehrens bestimmen:

 

Vielfalt der Pfade

Jeder Mensch hat schon viele Schritte auf dem Pfad der Wahrheit getan. Diese Schritte prägen das gegenwärtige Erfahren und die Ausdrucksweise des Einzelnen. Viele kommen aus einem christlich geprägten Hintergrund, andere gehen seit Jahren den Weg der Meditation oder des Buddhismus, wieder andere sind eher materialistisch geprägt.  Auch die Biografie eines Menschen prägt ganz wesentlich die Möglichkeiten der nächsten Schritte zur Wahrheit. Jeder hat seine eigenen Verletzungen und seine eigenen Stärken. Und mir ist es sehr wichtig die Gesamtheit eines Menschen möglichst gut in mein Lehren einzubeziehen. So sammelten sich im Laufe der Jahre auch sehr viele Werkzeuge an, die ich vermittle, und die unterschiedlichen Menschen an unterschiedlichen Stellen ihres Weges dienlich sein können. Ich verwende Texte und Methoden aus buddhistischen, christlichen und Sufi-Traditionen. Das entspricht natürlich auch meinem eigenen Weg, auf dem ich all dies kennenlernen durfte.

 

Gemeinsamkeit aller Pfade

Gemeinsam ist allen Pfaden ihr Ursprung und ihr Ziel. Wir machen uns auf den Weg nach Wahrheit weil wir eine Sehnsucht nach Einheit verspüren. Diese Sehnsucht kann sich auch als Sehnsucht nach Gott, nach Glück, nach Liebe, nach Frieden äußern und ist doch immer dieselbe urmenschliche Sehnsucht. Diese Sehnsucht, diese große Frage des Menschen kommt direkt aus der Buddhanatur, die in allen von uns wohnt. Das heißt die Frage selbst erhebt sich aus der Einheit, der Wahrheit, der Liebe, die tief in uns sind und immer waren. Die Tatsache, dass wir diese Sehnsucht haben beweist, dass wir das Ziel der Sehnsucht kennen und in uns tragen.

Und allen Pfaden gemeinsam ist die Wahrheit. Wenn ich in diesem Zusammenhang von Wahrheit spreche, dann meine ich eine Wahrheit, die immer wahr ist. An dieser Stelle möchte ich Padmasambhava zitieren mit seinem wunderbaren Gedicht:

„Im unendlichen Mandala des Raumes haben alle Phänomene leicht Platz. Sie haben leicht Platz und da ist immer noch Weite. Im unendlichen Mandala der Geistessenz haben alle Gedanken und Gefühle leicht Platz. Sie haben leicht Platz und da ist immer noch Weite.“

Ich behaupte und bin gewiss, dass das immer so ist J Die Moslems drücken diese Wahrheit so aus: „Gott ist größer“. Also Gott ist immer größer als alles andere, als jedes Ding, jedes Geschehen, jedes Erfahren. Das heißt auch, es kann keine Hölle geben, kein auf ewig aus Gott herausfallen, denn Gott ist größer. Es kann nichts außerhalb dessen geben. Ist das nicht wunderbar?

 

Überprüfen

Ein ganz wichtiges Instrument, das ich immer wieder lehre, ist zu überprüfen. Also: „Das unendliche Mandala des Raumes..“ oder „Gott ist größer“. Das ist ja recht gut einzusehen, wenn die Dinge gut laufen. Was aber, wenn sie nicht so gut laufen? Hat die Trauer, die Wut, die Verletztheit Platz im unendlichen Mandala der Geistessenz? Ist da immer noch Weite, wenn unser Geist sich in Angst zusammenzieht? In der Überprüfung geschieht zweierlei: Erstens richten wir dabei unsere Aufmerksamkeit automatisch mehr auf den Raum als auf den Inhalt und damit mehr auf das Verlässliche als auf das Veränderliche. Zweitens stärken wir jedes Mal unsere Gewissheit. Die Wahrheit muss nicht nur erkannt werden, sondern sie muss tiefe Wurzeln schlagen in unserem Wesen. So tief, dass nichts sie mehr erschüttern kann. In der Neurophysiologie nennt man diesen Prozess Bahnung. Gedanken, die wir oft denken, denken sich immer leichter, Gedanken, die wir selten denken sind mühsam zu denken.

Das ist der Sinn aller Yogas und aller Übungswege.

 

Ein Schritt

Es ist ein Naturgesetz, dass wir alle immer am Anfang stehen. Und es ist ein Naturgesetz, dass wir immer nur einen Schritt von genau dem Punkt an dem wir uns befinden machen können. Das klingt lapidar, und dennoch verhalten wir uns oft ganz anders. Oft wollen Menschen 5 Schritte auf einmal tun und wundern sich, dass sie stürzen. Oder sie wollen an einem anderen Punkt beginnen, als dem an dem sie sich befinden…

Auch dies ist eine Gemeinsamkeit auf allen Wegen.

 

Grundlegende Gutheit

Wir alle sind grundlegend gut, sind strahlend, freudig, liebevoll und zum Glücklichsein begabt. Dies gilt auch wenn sich viel Staub und Hindernis auf unserem wahren Wesen angesammelt haben mag. Die Aufgabe und der Weg sind dann den Staub zu entfernen um die strahlende Natur unseres Geistes freizulegen. Ganz ähnlich sieht das übrigens die heilige Theresa von Avila, die unsere Seele als einen Kristall beschreibt und sich dann fragt, warum wir dann leiden, und selbst antwortet, das liege an einem dunklen Tuche, das sich auf die Natur unserer Seele gelegt habe, und unsere Aufgabe sei, dieses Tuch wegzuziehen.

 

Liebe Mitgefühl und Freude

Liebe und Mitgefühl sind natürliche Eigenschaften unseres Wesens und der klaren Natur des Geistes. Schritte auf dem Pfade der Wahrheit sind immer auch Schritte hin zur Verwirklichung von Liebe und Mitgefühl.

Freude ist eine Eigenschaft des Seins, eine Eigenschaft Gottes. Diese Freude ist keine Freude wegen, also keine abhängige Freude, sondern ist pur – einfach so. Diese Freude des Seins am Sein ist die Ursache allen Lebens, der Ursprung aller Dinge.

 

Übermittlung

Entsprechend meinem eigenen Erfahren, das ich oben schilderte, ist mir als Lehrerin der direkte Kontakt mit den Menschen in Satsang und Retreat sehr wichtig. Es öffnet sich dabei ein wundersamer Raum des Vertrauens und der Liebe. In diesem Raum der Bezogenheit ist eine direkte Übermittlung möglich.

Wir alle sind auf tiefe Weise miteinander verbunden in der Wirklichkeit der unendlichen Bezogenheit. Unsere Empathie zu stärken in Haltung und Handlung, unsere Berührbarkeit zu pflegen ist der adäquate Ausdruck dafür. Das zu üben ist wichtiger Bestandteil all unserer Begegnungen in Satsang.

 

Die Freude der Lehrerin

Wenn ich jetzt nach 15 Jahren des Lehrens auf den bisherigen Pfad zurückblicke, dann hüpft mein Herz voll Freude ob der wunderbaren Vielfalt all der Menschen, die ich bisher begleiten durfte. Kinder, Eltern, junge und alte Menschen. Gesunde und Kranke. Intelligente und Langsam-Denkende. Christen und Buddhisten. Reiche und Arme… – was für eine Fülle. Und alle sind lebendiger Ausdruck des Einen.

Und mein Herz erfreut sich an jedem Schritt, den diese Menschen auf dem Pfad der Wahrheit tun. Und es jubelt jedes Mal wenn eine Knospe sich vollends zur Sonne der Wahrheit hin öffnet. 

 

Pyar

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